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Interview: Kranke Kinder bleiben zu Hause?

Stefanie Richter

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Das Thema ist ein Dauerbrenner – und es scheint auch keine befriedigende und allgemein gültige Antwort auf die Frage zu geben: Was ist zu tun, wenn die Eltern ihr Kind krank in die Kita bringen? KinderKinder sprach darüber mit zwei Pädagoginnen.

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KinderKinder: Warum regelt der Träger, also in Ihrem Fall das Bayerische Roten Kreuz (BRK), nicht einheitlich für die Kitas in seiner Trägerschaft, wann ein Kind zu krank für den Kitabesuch ist?

Hermine Brenauer: Es gibt dazu durchaus von unserer Seite Empfehlungen. Wir tun uns aus Trägersicht allerdings schwer, verbindliche Vorgaben zu machen, da es keine klare Aussage auf Gesetzesebene gibt. Die einzige gesetzliche Grundlage ist das Infektionsschutzgesetz – das deckt zwar viel, aber eben nicht alles ab, was die Kolleginnen und Kollegen in den Kitas zu sehen bekommen. Außerdem mag eine Vorgabe für die eine Einrichtung passen, aber für die andere überhaupt nicht, weil dort die Gegebenheiten andere sind. Es gibt etwa ein benachbartes Seniorenheim, das es erforderlich macht, auf etwas besonders zu achten. Es gibt eine große Vielfalt, so dass eine einheitliche Regelung von uns als Träger schwierig ist. So liegt es wieder bei den einzelnen Einrichtungen, wie sie es handhaben und inwiefern auch die örtlichen Gesundheitsämter involviert sind.

Lea Erhard: Beim Roten Kreuz gibt es einen Rahmenvertrag für alle Kitas, dem eine Belehrung zum Infektionsschutzgesetz beiliegt. Darin sind die Krankheiten aufgelistet, bei denen die Kinder nicht in die Kita kommen dürfen. In Bayern gibt es dazu verpflichtend den Rahmenhygieneplan für alle Kitas, der in tabellarischer Form auflistet, wie lange die Kinder bei welcher Krankheit zu Hause bleiben müssen, ob ein Attest erforderlich ist und so weiter. Damit haben wir Erzieherinnen etwas an der Hand, das wir den Eltern rauskopieren und auf das wir uns berufen können.

Damit können Sie die Diskussionen mit den Eltern sicher abkürzen.

Lea Erhard: Ich führe die Diskussionen trotzdem, auch wenn es von der Aufnahme des Kindes an völlig klar ist, welche Regeln bei uns diesbezüglich gelten. Manche wollen es nicht verstehen, aber manche können es auch nicht verstehen – schlicht, weil es eine sprachliche oder kulturelle Barriere gibt. Was noch hinzukommt: Wir sind keine Ärzte. Wir wissen nicht, woher beispielsweise der Durchfall beim Krippenkind kommt – vom Zahnen oder einem Infekt? Also lassen wir das Kind lieber abholen. Das ist ein schmaler Grat und oft schwierig für die Zusammenarbeit mit den Eltern.

Wäre es hilfreich, wenn jede Kita – zum Beispiel mit dem Gesundheitsamt – eigene Hausregeln dazu als Anlage an den Betreuungsvertrag formuliert und damit eine gewisse Verbindlichkeit herstellt?

Lea Erhard: Das kann ich mir schon als entlastend für die Kitafachkräfte in den Gruppen vorstellen. Aber ob es an den Betreuungsvertrag gekoppelt sein muss? Wichtig wäre vor allem, solche Hausregeln in verschiedenen Sprachen oder rein visuell zu gestalten und so kurz und einfach wie möglich. Man könnte einen solchen Zettel regelmäßig in die Fächer oder auch als Info in die Willkommensmappe legen. Das könnte sich positiv auswirken, aber klar: Viele Eltern lesen es auch gar nicht.

Sehen Sie Alternativen?

Lea Erhard: Jede Kita hat einen Hygieneplan, der alle ein bis zwei Jahre erneuert wird. Die Einrichtungen haben dafür ihre Ansprechpartner, die die dazugehörende Begehung machen. Vielleicht könnte man das Thema dort anbringen und den Hygieneplan ergänzen.

Wie kommt das Landesreferat des BRK in dieser Sache ins Spiel?

Hermine Brenauer: Wir stellen unseren Einrichtungen vor allem Informationen und unterstützende Handlungsleitfäden über das Intranet zur Verfügung. Hier lassen sich viele Dokumente herunterladen, die dann auch an die Eltern weitergegeben werden können. Außerdem haben wir eine interne Rechtsabteilung, die zum Beispiel Einwände von Eltern zu Vertragsbestandteilen oder sonstige Beschwerden prüft. Und da komme ich auch noch mal auf die Verbindlichkeit von Hausregeln zurück: Wenn Eltern uneinsichtig sind, ist unser Handlungsspielraum begrenzt. In meiner Position kann ich die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen aber mit Informationen und Empfehlungen versorgen und sie damit unterstützen.

Wichtig wäre vor allem, solche Hausregeln in verschiedenen Sprachen oder rein visuell zu gestalten und so kurz und einfach wie möglich.

Die Gesprächspartnerinnen:

Hermine Brenauer ist Landesreferentin für Kindertageseinrichtungen des Bayerischen Roten Kreuzes, das über 330 Kindertages- und Schulkindbetreuungseinrichtungen in (Mit-)Trägerschaft hat. Sie berät die Träger und die Kitaleitungen in sämtlichen Belangen – auch was den Umgang mit kranken Kindern betrifft.

Lea Erhard ist Einrichtungsleitung und Kinderschutzfachkraft der integrativen Tagesstätte Zirbelzwerge in Augsburg.

Die Fragen stellte Stefanie Richter, verantwortliche Redakteurin KinderKinder

Das Interview ist erschienen in: DGUV KinderKinder – Sicherheit und Gesundheit in Kindertageseinrichtungen; Ausgabe 4/2023. „KinderKinder“ ist ein Angebot der Unfallkassen für Kindertageseinrichtungen. Es erscheint vier Mal im Jahr und wird Kitas kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Artikel veröffenticht

09.11.2023 - 12:32 Uhr

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